7. August 1922 Junkers

Im Sommer 1922 hatte der Junkers-Luftverkehr nach anderthalbjähriger Tätigkeit in Deutschland und der Schweiz bereits erste Erfolge aufzuweisen. Zwischen Berlin und Genf bestand eine durchgehende Luftverkehrsstrecke, die nach Plänen des Leiters der Abteilung Luftverkehr, Gotthard Sachsenberg, den Ausgangspunkt für ein europäisches Luftverkehrsnetz bilden sollte. Sein nächstes Ziel war die Weiterführung dieser Strecke nach Italien.

Bruder Hans Sachsenberg, der zu dieser Zeit das Junkers-Flugzeugwerk leitete, hatte sich seit einem Jahr vergeblich bemüht, einen Lizenzbau der Junkers-Verkehrsflugzeuge F 13 und JG 1 – ein Großflugzeug, welches aufgrund der Baubestimmungen in Deutschland nicht gebaut werden konnte – in Italien auf den Weg zu bringen. Seine Verhandlungen mit Caproni, den Ansaldo- und Fiatwerken blieben ohne Ergebnis, was unter anderem auch darauf zurückzuführen war, dass er kein Vorführungsflugzeug zur Verfügung hatte. Der schon in die Wege geleitete Flug einer an die schweizerische Luftverkehrsgesellschaft „Ad Astra“ verliehenen F 13 nach Italien scheiterte daran, dass Sachsenberg keine Einfluggenehmigung bekam.

Um die Leistungsfähigkeit der F 13 dennoch unter Beweis zu stellen, bot sich die Teilnahme an der Internationalen Wasserflugwoche an, die vom 6. bis 13. August 1922 in Neapel stattfand. Schon der Hinflug der beiden F 13 „Marabu“ (Kennung D-191) und „Meise“ (Kennung D-192) sollte demonstrieren, dass eine Luftverkehrsverbindung zwischen Deutschland und Italien über die Alpen hinweg möglich war.

Wilhelm Zimmermann, der die F 13 „Meise“ flog, kam am Abend des 23. Juli 1922 als erster in Neapel an. In einem zehnstündigen Flug mit nur einer Zwischenlandung zwecks Auswechslung einiger Zündkerzen war der 25jährige Pilot von Dessau über Hof, Bayreuth, Ingolstadt, München, Innsbruck, Bozen, Triest, Verona, Bologna, Rimini, Ancona bis nach Neapel durchgeflogen. Die Strecke Innsbruck – Bozen hatte er dabei in einer Höhe von 5000 Metern zurückgelegt.

F 13 „Meise“ mit Pilot Zimmermann (rechts)

Die F 13 „Marabu“, die von dem 24jährigen Piloten Hans Eichler gesteuert wurde, hatte etwas Pech beim Start. Sie geriet an eine sumpfige Stelle und sank ein. Eichler konnte erst nach Auswechslung des beschädigten Propellers gegen Mittag starten und musste in München übernachten. In seiner Maschine flog auch der 20jährige Sohn von Prof. Junkers, Werner Junkers mit. Er machte zu dieser Zeit ein Praktikum als Flugzeugmechaniker in der Jfa, um sich auf das Studium eines Ingenieurs vorzubereiten. Nach elf Stunden reiner Flugzeit trafen beide ebenfalls in Neapel ein.

Die beiden F 13 waren mit Radfahrwerk nach Neapel geflogen und hatten die Schwimmer als Gepäck in der Kabine verstaut. So konnte gleich an Ort und Stelle der unkomplizierte Umbau der F 13 von Land- in Wasserflugzeuge praktisch vorgeführt werden.

Die F 13 D-192 als Wasserflugzeug in Neapel

Die Teilnahme an der Wasserflugwoche in Neapel war nicht ohne Risiko für die Firma Junkers. Die F 13 war von den Alliierten nur mit 160-PS-Mercedes-Motor zugelassen worden, mit dieser Motorleistung wären die F 13 jedoch nicht aus dem Wasser gekommen. Um dennoch teilnehmen zu können, hatte die Junkers von den Bayerischen Motorenwerken die Erlaubnis erhalten, einige BMW-Motoren vom Typ IIIa so im Aussehen zu verändern, dass sie nicht mehr als BMW-Motoren erkennbar waren. Dieses Täuschungsmanöver verhalf zwar den Junkerswerken zu einer Starterlaubnis, verärgerte aber im Nachhinein die Bayerischen Motorenwerke, als einige Zeitungen von Junkers-Motoren sprachen.

Bei herrlichem Sonnenschein begann am 6. August in Neapel unter zahlreich erschienenem Publikum die Wasserflugwoche. Als erstes mussten sich die Flugzeuge am frühen Morgen der „Wasserhaltungsprüfung“ als Vorbereitung für den großen Wettbewerb um den „Tyrrhenischen Pokal“ unterziehen, die im Eintauchen der Boote bzw. Schwimmer in sechs aufeinanderfolgenden Stunden bestand. Beide F 13 bestanden diese Prüfung auf Wasserdichtheit ohne Probleme.

Beide F 13 während des Wettbewerbes mit den Startnummern 5 und 6

Den ersten Hauptteil der Veranstaltung bildete der Wettbewerb um den Pokal des Königs von Italien, ein Geschwindigkeitsrennen für Wasserflugzeuge mit 200 kg Handels-Zuladung über eine dreizehnmal zu durchfliegende Strecke von insgesamt 400 Kilometer Länge. Die Strecke Neapel – Capo – Posillipo – Torre del Creco – Neapel war durch Hissen kleiner Ballone in größeren Abständen kenntlich gemacht. Am Start hatten sich außer Wilhelm Zimmermann mit seiner F 13 fünf weitere Bewerber eingefunden, die alle italienische Flugboote steuerten.

Zimmermann, der die Strecke nicht wie vorgeschrieben dreizehnmal, sondern sogar vierzehnmal durchflog, konnte den zweiten Platz belegen, während der italienische Leutnant Pellegrini auf einem Savoya-Flugboot S 13 aus dem Rennen als erster Sieger hervorging. Pellegrini benötigte eine Gesamtzeit von 2 Stunden 9 Minuten 32 Sekunden bei einer mittleren Stundengeschwindigkeit von 170 bis 172 km/h, während Zimmermann die Strecke in 2 Stunden 17 Minuten 42 Sekunden bewältigte. Die anderen Teilnehmer flogen teils Savoya-, teils Macchi 18-Flugboote.

Werner Junkers füllt während des Wasserflugzeug-Wettbewerbes in Neapel Betriebsstoff auf

Die italienische Presse äußerte sich lobend über Zimmermanns Leistung und hob hervor, dass das deutsche Flugzeug nur mit einem Motor von 185 PS-Leistung ausgerüstet war, während die italienischen Teilnehmer besonders für den Wettbewerb gebaute Flugboote flogen, die Motoren von nicht unter 260 PS als Antriebskraft hatten. Der erste Preisträger erhielt den Pokal des Königs von Italien sowie 3000 Lire, Zimmermann bekam 2000 Lire zugesprochen, aber aus einem unerfindlichen Grund nicht ausgezahlt.

Am zweiten Tag des Wettbewerbs stand den Piloten und Flugzeugen eine besonders schwere Prüfung bevor. Im Wettbewerb um den „Großen Tyrrhenischen Pokal“, der zum ersten Male durch den Kgl. Autoclub von Italien ausgeschrieben worden war, wurde ein Rennen über eine Strecke von 2000 km durchgeführt, bei dem ein Anwassern auf dem Meere bei Nacht mit Fluggästen und voller Belastung gefordert war. Mit einer Gesamtzeit von 17 Stunden 8 Minuten 52 Sekunden gewann Zimmermann den Pokal, Eichler wurde mit einer Zeit von 17 Stunden 38 Minuten und 55 Sekunden Zweiter.

Die F 13 kurz nach dem Start zum Wettbewerb um den „Großen Tyrrhenischen Pokal“ in Neapel

Als einer der Ersten gratulierte der Vorsitzende des Aero-Clubs von Deutschland v. Tschudi am 14. August 1922 Prof. Junkers zu dem Erfolg seiner Flugzeuge in Neapel, denn der Sieg von Junkers war für die übrige deutsche Flugzeugindustrie nicht ohne Bedeutung:
„Ich bin sehr gespannt zu hören, ob nicht von Ententeteilnehmern Schwierigkeiten bereitet werden. Wenn dies nicht der Fall sein sollte, oder solche Bemühungen vergeblich sein werden, dann hat die Teilnahme Ihrer Flugzeuge in Neapel noch eine ganz besondere Bedeutung, insofern, als die Fédération Aéronautique Internationale dann eingesehen haben dürfte, dass eine Gegenarbeit ihrerseits gegen Deutschland inopportun ist. Soweit mir bekannt, fürchten Firmen des Verbandes deutscher Luftfahrzeug-Industrieller die Teilnahme an dem Wettbewerb in Rotterdam auf Grund der Tatsache, dass ihre Motoren unter die Entente-Note fallen, welche die Ausfuhr, auch die vorübergehende, von Motoren verbietet. Ihre Firma wird daher auch in Rotterdam von größeren deutschen Firmen die einzige sein.“

Die Befürchtungen des Aeroclub-Vorsitzenden waren nicht unberechtigt. Wie die „B.Z. am Mittag“ am 16. August 1922 berichtete, gab es in französischen Zeitungen heftige Kritik an der Teilnahme der deutschen Flugzeuge. Die F 13 hätte gegen die Bauvorschriften der Alliierten verstoßen, hieß es.

Die Junkerspiloten Zimmermann und Eichler unternahmen nach Beendigung des Wettbewerbs mit ihren beiden F 13 noch Rundflüge in Capri. Am 30. August 1922 kehrte Zimmermann mit der F 13 „Meise“ über Konstanz nach Dessau zurück.

Die F 13 „Marabu“ verblieb als Demonstrationsobjekt für die Verhandlungen von Gotthard Sachsenberg in Neapel. Der Leiter des Junkers-Luftverkehrs war nach dem Erfolg von Zimmermann und Eichler sofort nach Italien gereist, um mit dortigen Industriellen erneut über den Lizenzbau der F 13 zu verhandeln. Wollte er die mit Junkersflugzeuge beflogenen Luftverkehrstrecken bis nach Italien und Griechenland hin erweitern, musste er eine Flugzeugfirma finden, die zumindest zu einer Scheinfabrikation der F 13 bereit war, denn in Italien durften nur im Lande hergestellte Flugzeuge im Luftverkehr eingesetzt werden. Obwohl Gotthard Sachsenberg acht Wochen lang intensiv verhandelte, musste auch er wie sein Bruder ohne greifbares Ergebnis nach Dessau zurückkehren. Das Interesse der Italiener an Verkehrsflugzeugen und Luftverkehrsstrecken war zu dieser Zeit sehr gering, im Vordergrund stand der Aufbau des Militärflugwesens.

Die F 13 „Marabu“ verblieb noch eineinhalb Jahre in Neapel, um den maßgebenden italienischen Kreisen Gelegenheit zu geben, sich die Sache nochmals zu überlegen. Am 4./5. November 1923 flog Pilot Frantz mit dem „Marabu“ von Neapel aus über das Mittelmeer nach Barcelona, wo inzwischen ebenfalls Verhandlungen über einen Lizenzflugzeugbau und Luftverkehr aufgenommen worden waren. In Barcelona wurde die „Marabu“ zu einem Sanitätsflugzeug umgebaut und 1925 an das Spanische Rote Kreuz übergeben.

Den „Tyrrhenischen Pokal“ hat Wilhelm Zimmermann übrigens nie ausgehändigt bekommen. Im Juni 1923 teilte das italienische Luftfahrtkommissariat der Firma Junkers auf Anfrage mit, dass der „Große Tyrrhenische Pokal“ noch nicht hergestellt worden sei, „weil der künstlerische Wettbewerb und die Vorlage der entsprechenden Entwürfe auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben worden sei.“ Außerdem würde der Pokal in drei aufeinanderfolgenden Jahren ausgetragen und demjenigen zuerkannt, der in zweimal gewonnen hat. Wenn dies nicht der Fall sei, demjenigen, der ihn im dritten Jahr gewonnen hat.

Angelika Hofmann

Oben

Quellen:

  1. Reisebericht Direktor Sachsenberg nach der Schweiz und Italien in der Zeit vom 19.7. bis 8.8.21 vom 22.08.1921.
  2. Schreiben Bayerische Motorenwerke an Junkerswerke vom 16.8.22
  3. Berichte in: Flugsport, 1922, Nr. 16/17; Anhalter Anzeiger vom 02.08.1922; Volksblatt für Anhalt vom 29.07.1922; Junkerswerke: Illustrierte Flugwoche 1922, S. 257-260.
  4. F.-P.Bericht Nr. 42

Weiterführende Informationen:

Junkers Flugzeugtypen: F 13
Am Anfang steht der „Blechesel“: Die Junkers F 13

TEILEN
Contact

Museen & Galerien.

Über die JUNKERS Medienkanäle sorgen wir für interessante, spezielle und grundlegende Informationen über Hugo Junkers.

Ausstellungen

Junkers Ausstellungen

Contact