31. Mai 1923 Junkers
Junkers F 13 im russischen Luftverkehr

Wie im Kalenderblatt Nr. 13 bereits berichtet, betrieb Junkers im Jahre 1923 in Russland eine eigene Luftverkehrsstrecke von Moskau nach Teheran. Über die Aufnahme des Flugverkehrs auf dieser Strecke berichtete das Junkers-Luftverkehr Nachrichtenblatt 1923 Nr. 4:

„Die russischen Zeitungen berichten über die Aufnahme des Flugverkehrs auf der ersten ‚Sowjet-Magistrale‘ Moskau – Tiflis.

Am 31. Mai startete das erste Verkehrsflugzeug auf dem Moskauer Flughafen Chodijnka mit Passagieren und Post über Charkow – Rostow – Noworossijsk – Batum nach Tiflis. Da bereits einige Tage vorher Flugzeuge nach den obengenannten Stationen über überführt wurden, konnte am 1. Juni auch schon der Flug in umgekehrter Richtung durchgeführt werden. Aus Rostow trafen als die ersten Fluggäste der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Allukrainischen Handels- und Industrie-Genossenschaft und der kaufmännische Leiter dieses Unternehmens in Moskau ein. Den einstündigen Aufenthalt in Charkow benützten die Herren zur Teilnahme an einer geschäftlichen Sitzung. Über die Schnelligkeit und das Gefühl der Sicherheit, das dieses neue Beförderungsmittel dem Reisenden einflößt, äußerten sich die Fluggäste in besonders anerkennenden Worten.

Weit ausführlicher als die Moskauer Presse, die ja das Junkers-Flugzeug schon seit langem kennt, befassen sich die südrussischen Zeitungen mit dem Ereignis der Eröffnung des Flugverkehrs. In Rostow am Don wurden nach Eintreffen der ersten Maschine zahlreiche Rundflüge unternommen. Unter den Fluggästen befanden sich unter anderen der Kommandeur der Truppen des Militärbezirkes Woroschiloff und der aus dem polnisch-russischen Kriege und dem Feldzug gegen Wrangel bekannte Kommandeur der I. Kavalleriedivision, Budjonnij.

Das Flugzeug ‚Lerche‘ geriet bei der Landung in Noworossijsk in ein Loch, wobei das Fahrgestell und der Propeller beschädigt wurden. Bemerkenswert ist die von großem Verständnis zeigende Stellungnahme eines örtlichen Blattes zu diesem Unfall, in dem es heißt: „Die Flüge der ‚Lerche‘ bewiesen, wie ungefährlich das Fliegen ist und inwiefern das Landen gefährlich sein kann – aber ausschließlich für das Flugzeug und nicht für die Insassen. Die Ursache ist lediglich die Unzulänglichkeit unserer Flugplätze.'“

Junkers F 13 im russischen Luftverkehr

Junkers-Monteur Taumann gab in Nr. 10/1923 des Junkers-Luftverkehr Nachrichtenblattes einen anschaulichen Bericht über die Eröffnung und den Betrieb dieser Luftverkehrsstrecke:

„Ende Mai [1923] erhielten wir in Moskau den Auftrag, über Charkow – Rostow a. D. – Noworossijsk nach Batum und Tiflis zu fliegen, um den regelmäßigen Luftpostdienst aufzunehmen.

Bis Rostow war die Strecke festgelegt und auch mit Junkers-Maschinen bereits geflogen worden. Ab Rostow mußten wir jedoch expeditionsmäßig vorgehen, und zwar zuerst nach Anapa am Schwarzen Meer. Hier hatten wir gute Landegelegenheit, und beide Maschinen, die am Vormittag in Rostow gestartet waren, landeten ohne Schwierigkeiten. Nach kurzem Aufenthalt flog eine Maschine nach Noworossijsk, um dort einen Flugplatz ausfindig zu machen und dann zurückzufliegen, um die zweite Maschine nachzuholen.

Nach zwei Stunden standen dann auch die Maschinen auf einem nicht großen und auch nicht sehr guten Flecken bei Noworossijsk. Die Bevölkerung hatte die Landung der beiden Maschinen beobachtet und kam nun in Massen herangeströmt, um die Wunderdinge zu betrachten. Kaum, daß wir die Flugzeuge verlassen hatten, war es schon nicht mehr möglich, an die Maschinen heranzukommen, denn jeder einzelne wollte sie nicht nur aus nächster Nähe besehen, sondern natürlich auch anfassen. Die Menschen sind eben so, – nicht nur die Russen, wie manche Leute behaupten. Mit Hilfe einiger deutsch sprechender Einwohner, die in Russland fast überall zu treffen sind, gingen wir nun daran, die Sache zu organisieren, so daß möglichst alle die Maschine betrachten, befühlen und auch einen Blick ins Innere werfen konnten. Nach zwei Stunden machten wir Schluß, nicht wegen Mangel an Schaulustigen, sondern weil wir einfach nicht mehr konnten und die Maschinen für den Weiterflug nach Batum am nächsten Tag noch glatt getankt werden mußten. Wir vertrösteten die Leute auf den folgenden Tag, obwohl wir mußten, daß der Normalrusse erst gegen Mittag aus dem Bette steigt, und da wir um fünf Uhr starten wollten, sie nichts mehr von uns sehen würden.

Tags darauf flogen wir an dem Ufer entlang bei herrlichem Flugwetter nach Batum. Mit mir saßen noch drei Herren der Amerikanischen Hilfsmission in der Kabine, die mich nun, als wir einige Kilometer vom Ufer entfernt waren, fragten: „Was ist, wenn der Motor aussetzt?“ Ich gab zur Antwort: „Er setzt nicht aus, und wenn er aussetzen sollte, so müssen wir eben ans Land schwimmen.“ Ich das sagen, und die wackeren Leute die Stiefel ausziehen, war eins. Die dachten wohl, es ginge gleich los mit dem Schwimmen! Ich kannte meinen Motor und lachte gehörig darüber; nachdem die Herren die prachtvolle Aussicht gesehen hatten, links die steile Küste des Meeres, über und hinter dieser die schneebedeckten Bergriesen des Kaukasus und rechts das weite, ruhige Meer, verging auch ihr Angstgefühl und schließlich konnten sie sich nicht mehr satt sehen an alle der Schönheit.

Nach vierstündigem Fluge hieß es wieder einen geeigneten Landeplatz suchen, aber unter uns sahen wir nur sehr kleine, mit Gräben durchzogene Wiesen. Der einzig mögliche Platz war ein Sturzacker, etwas größer, dafür aber mit Schollen von 20 bis 25 Zentimeter bedeckt. Es ging aber selbstverständlich alles glatt und einige Minuten später stand auch die zweite Maschine neben uns. Hier konnten wir zum ersten Male, da wir nun schon asiatischen Boden unter unseren Füßen hatten, Muselmänner und -weiber im Original ansehen, die ganz scheu zu uns an die Maschine kamen, anscheinend Angst vor uns hatten und wahrscheinlich dachten, wir kämen vom Monde. Einen Tag lang rasteten wir, dann ging es weiter, die eine Maschine nach Tiflis, die andere zurück nach Rostow.

Junkers F 13 der Schweden-Persien-Linie in Annapa

Nach mehrwöchigem Flugdienst auf dieser Strecke wurden wir auf der Linie Rostow-Baku eingesetzt und durften so auch eine andere Gegend kennenlernen. An einem herrlichen Augustmorgen starteten wir in Rostow am Don nach Mineralnyje Wody, dann weiter nach Grosnij und Baku. Doch hatten wir hier die Rechnung ohne das Wetter gemacht, das uns bis dahin so gut geneigt war. Damit war es nichts mehr; wir gerieten in sehr starken Sturm und wolkenbruchartigen Regen, und mit einemmal befanden wir uns vor einer bis Boden reichenden Wolkenmauer. Dreimal setzte unser braver Pilot Mosbacher an und dachte durchzukommen, es war aber unmöglich. Doch plötzlich heiterte sich sein Gesicht auf, und er rief mir zu: „Da über dem Meere ist ein Loch, da können wir durch!“ Ich hatte aber während des Fluges eine kleine Unregelmäßigkeit im Laufe des Motors bemerkt und riet daher ab, denn 40 bis 50 km vom Ufer entfernt in einer Landmaschine mit einer größeren Motorstörung rechnen zu müssen, ist nicht angenehm und vielleicht hätte es so doch zum Schwimmen kommen können.

Jetzt bemerkten wir auch, daß unter uns eine Bahnbrücke durch das Wasser eines vom wolkenbruchartigen Regen hoch angeschwollenen Wildbaches weggerissen worden war. Infolge der monatelangen großen Dürre und Trockenheit war der Boden so hart geworden, daß er das Wasser nicht aufsaugen konnte und die Ebene einen riesigen See bildete, der in reißenden Fluten sich in einzelnen Rinnen mit den von den Bergen kommenden Bäche vermischte. Hart an der Bahn schritten wir zur Landung – um den Brückenbruch zu melden – doch was tun? Telephon gibt es hier keines, aber Baku muß verständigt werden, daß die Bahnbrücke zerstört wäre.

Von Russen, die mittlerweile zu uns gekommen waren, erfuhren wir, daß innerhalb der nächsten Stunde ein Zug nach Baku vorbeifahren müsse. Der Zug mußte um jeden Preis angehalten werden, und so kam Mosbacher auf die Idee, eine Stange mit einer daran befestigten Tafel mitten in das Geleise zu stellen. Nach ungefähr einer dreiviertel Stunde nährte sich richtig der Zug und hielt recht brav vor unserem Haltesignal. Wir machten nun dem Zugführer klar, weshalb wir den Zug zum Stehen gebracht hatten und legten uns dann mit dem Bewußtsein, der Bevölkerung wieder einmal die Bedeutung des Flugzeuges vor Augen geführt und vielleicht ein Unglück verhindert zu haben, in eine in der Nähe befindliche Hütte zur Nachtruhe.
Am nächsten Morgen war das Wetter zwar noch nicht gut, immerhin konnte man aber durchkommen und nach 25 Minuten Flug landeten wir glatt in Baku.“

Angelika Hofmann

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