16. März 1923 Junkers

Wie bereits im Kalenderblatt Nr. 13 berichtet, erhielt die Firma Junkers Anfang 1923 von der sowjetischen Regierung die Konzession für die Einrichtung einer Luftverkehrsstrecke von Moskau nach Teheran. Über den Erkundungsflug berichtete Junkers-Mitarbeiter Schmidt das Junkers-Luftverkehr Nachrichtenblatt 1923 Nr. 2:

„Am 16. März starteten wir auf Schneekufen auf dem verschneiten Moskauer Flugplatz mitten im tiefsten Winter mit dem „Kuckuck“ (alle Junkersmaschinen führen neben der Zulassungsnummer Vogelnamen), einer der Aluminium-Limousinen, die vom 1. Juni ab den regelmäßigen Flugdienst nach dem Kaukasus aufnehmen sollen. Dieser erste Flug nach dem russischen Süden galt der Erkundung des besten Flugweges und der örtlichen Verhältnisse auf den Zwischenlandeplätzen. Trotz des sehr schlechten Wetters, starker Böen und unzureichender Orientierungsmöglichkeit wurde Orel am ersten Reisetage glatt erreicht. Am nächsten Tage gings mit der ersten Etappe zunächst nach Charkow. Bei einer kurzen Zwischenlandung in Kursk, das wir auf seine Eignung als Notlandeplatz hin besichtigten, wurden die Schneekufen gegen die sonst üblichen Räder ausgewechselt, da die Maschine in schnellem Fluge aus dem nordrussischen Winter in den südrussischen Frühling hineingekommen war.

F 13 auf dem Moskauer Flugplatz

In Charkow bestieg zu einem kurzen Informationsfluge der Volksbeauftragte Rakowski die Maschine, trotzdem seine ängstliche Umgebung ihm bei den an sich noch immer unfreundlichen Wetter dringend davon abgeraten hatte, denn es gäbe zwar viele Junkersmaschinen, aber nur einen Rakowski für die Ukraine. Der Flug verlief natürlich ohne Zwischenfall, und die Teilnehmer äußerten sich begeistert über die Eindrücke, die sie empfangen hatten.

Noch am gleichen Tage verließen wir dann bei prachtvollem Wetter (so schnell ändern sie hier in Russland die meteorologischen Bedingungen) und bei sehr guter Fernsicht die Stadt und flogen nach Südosten über den Donezfluß und das gewaltige Donezbecken mit seinen ragenden Schornsteinen, die alle rauchten, zahllosen Schlackenhalden und Pyramiden aus Schutt und Abfällen hinweg. Aus ganz weiter Ferne schimmerte schon das Asowsche Meer, dem in silbernen Bändern der gewaltige Dom zustrebte. In sanfter Kurve nahmen wir Kurs auf die große Stadt Rostow, ließen das uralte Taganrog mit seinen golden funkelnden Zwiebel-Kirchenkuppeln rechts liegen und landeten kurz darauf auf dem schönen Flugplatz von Rostow.

Kurz nach unserer Ankunft erschien der Oberkommandierende im Kaukasus in seinem Auto und bat darum, einen Flug mitmachen zu dürfen. Bereitwilligst stiegen wir wieder in die „Kiste“, die wir eben müde und hungrig verlassen hatten, und schaukelten den hohen Herrn ein bißchen über seiner Hauptstadt hin und her. Er gestand nachher freimütig, daß das Auto im Vergleich zum Flugzeug ein geradezu lebensgefährliches Fuhrwerk sei. Das haben wir ihm lachend bestätigt, da wir dieses Stolpern über russische Landstraßen zu Genüge kannten und „schätzten“.

Am anderen Tage waren die Wettermeldungen leider wieder schlechter geworden, deshalb entschlossen wir uns, nicht an der Schwarzmeerküste über Noworissijsk und Batum nach Tiflis zu fliegen, sondern den Kaukasus frontal über Stawropol und Wladikawkas anzugreifen. Aber schon nach einer Stunde waren wir im dicksten Schneegestöber drin; dicker und dicker wurde die Luft, und schließlich waren nur noch die beiden schwarzen Schienenbänder der Bahn nach Wladikawkas unser einziger Wegweiser. Ganz tief mußten wir uns halten, um auch diese nicht aus dem Gesicht zu verlieren. Das Wetter wurde immer böser, so daß wir uns in den Vorbergen des Kaukasus endlich zu einer unfreiwilligen Zwischenlandung entschließen mußten. Mitten in eine Kawalkade von Kubankosaken senkten wir uns nieder, die zuerst entsetzt auseinanderstoben, nachher aber zutraulich herbeikamen und uns, trotzdem die Verständigung nicht einfach war, herzlich aufnahmen. Kursawka hieß die nächste Niederlassung, die bald nach unserer Landung unzählige Menschen hinaussandte, die den fremden Vogel ebenso artig und neugierig bestaunten wie wir selbst diese fremden Zuschauer betrachteten.

Am nächsten Tage gings wieder hoch, das Wetter wollte zwar nicht aufklaren, aber die Maschine mußte doch wenigstens jeden Tag beweisen, daß sie fliegen konnte, und der Erledigung ihrer Aufgabe näher kam. Über das freundliche Mineralnie Wodi (Mineralbrunnen), das wir gut erkennen konnten, und die reizvoll abwechselnde Landschaft gings weiter nach Südosten, aber der Kaukasus, die große Wand, war immer noch nicht zu sehen. Am Nachmittag kamen wir über Wladikawkas und gingen hier für die Nacht hinunter, mit der bangen Sorge, vielleicht tagelang hier auf gutes Wetter warten zu müssen. Aber dies Land der „neuen unbegrenzten Möglichkeiten“ bereitete uns auch hier wieder eine Überraschung. Wir wachten bei strahlendem Sonnenschein auf und sahen den riesigen Kaukasus, den wir heute bezwingen wollten, greifbar deutlich vor uns. Bald schnurrte der treue Motor und dann ging es mit einem feinen Kavalierstart, die die Kaukasier mit lauten „Ohs“ und „Ahs“ bestaunten, in die warme Luft. In weiten Schleifen stiegen wir auf 3000 Meter Höhe. In blendender Weiße lag vor uns die Kette des Kaukasus. Als wir endlich hoch genug waren, gingen wir auf die Bergwelt zu und waren bald mitten drin.

Was wir jetzt zu sehen bekamen, kann eine ungewandte Feder einfach überhaupt nicht beschreiben. Vier winzige Menschlein klebten in der kleinen Maschine, die, unbeirrt, hoch über den Millionen Jahre alten Schluchten, über uralte Bergriesen, die die Anfänge der Geschichte der Menschheit schon gesehen hatten, mit Sturmessausen dahinzog. Vor dem königlichsten aller Berge des Kaukasus, dem gewaltigen Kasbek, machten wir unsere pflichtschuldige Reverenz. Sein Anblick war der Höhepunkt des ganzen Fluges. Nachdem er hinter uns lag, ging es bald in die tiefe Schlucht, in der Tiflis selbst liegt. Tiflis repräsentierte sich in seiner ganzen europäisch-asiatischen Schönheit, ein Kontrast, der von oben noch mehr als von unten immer wieder wechselnd, neue schöne Bilder liefert. In steiler Fahrt gings hinunter auf den Flugplatz, wo wir von einer vieltausendköpfigen Menschenmenge erwartet wurden, die um unser Kommen schon seit Stunden wußte und uns bemerkt hatte.

An reiner Flugzeit haben wir nachher im Kreise der russischen Kameraden 13,5 Stunden ausgerechnet, wobei natürlich jeder Aufenthalt auf den Stationen abgezogen ist. Das ist eine ganz nette Leistung. Voll Stolz konnten wir an die Leitung die Meldung weitergeben, daß nunmehr die Strecke Schweden – Kaukasus, ein Teil erst der großen projektierten Flugstrecke Schweden – Persien erkundet und festgelegt war.“

F 13 in Tiflis

Angelika Hofmann

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Quelle:Junkers-Luftverkehrs-Nachrichtenblatt 1923, Nr. 2

Weiterführende Informationen:

Kalenderblatt Nr. 13: Das Silvesterabenteuer mit einer Junkers F 13 in Russland vor 84 Jahren

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