9. Februar 1935 Junkers

Am 9. Februar 1935 fand auf dem Münchner Waldfriedhof ein bemerkenswertes Staatsbegräbnis statt. Die zahlreichen Trauergäste waren zum großen Teil von weit hergereist. Sie kamen aus dem anhaltinischen Dessau und waren Direktoren, Angestellte und Arbeiter der Junkerswerke, die ihrem ehemaligen Arbeitgeber Professor Hugo Junkers das letzte Geleit geben wollten. Angeordnet hatte dieses prunkvolle Begräbnis Reichskanzler Hitler persönlich. Sein Stellvertreter Rudolf Hess legte nun einen Kranz an dem Grab ausgerechnet des Mannes nieder, der vorher monatelang von den Nationalsozialisten als Staatsfeind verfolgt und um sein Lebenswerk gebracht worden war.

Doch das durfte die Öffentlichkeit nicht erfahren. Nach außen hin musste der Anschein gewahrt werden, dass die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke auch unter staatlicher Leitung das Erbe des weltberühmten Forschers und Industriellen bewahren und weiterführen würden. Unter dem Deckmantel des Verkehrsflugzeugbaues würde es gelingen, einen modernen und leistungsfähigen Rüstungsbetrieb aufzubauen.

Grab von Hugo Junkers - Gauting bei München

Grab von Hugo Junkers auf dem Waldfriedhof – Gauting bei München.

Junkers Staatsbegräbnis mit Rudolf Hess.

Mit seinen innovativen Ingenieuren und hervorragend ausgebildetem Personal boten diese Werke die besten Voraussetzungen dazu, leistungsfähige Kriegsflugzeuge in Serie zu produzieren. Lange Zeit gab es nur ein Hindernis bei der Umsetzung dieses Plans: der Inhaber der Werke, Prof. Hugo Junkers.

Dessen Lebensziel war es nämlich, Forschung zu betreiben und mit Hilfe dieser Forschung Produkte zu entwickeln, die den Menschen das Leben erleichtern und verschönern sollten. Zu diesem Zweck hatte er bereits in der Mitte seines Lebens eine Versuchs- und Forschungsanstalt gegründet, die sich mit vielfältigen Problemen beschäftigte und zahlreiche innovative Produkte wie das Kalorimeter, den Gasbadeofen, das erste flugfähige Metallflugzeug, das erste reine Verkehrsflugzeug und den ersten Dieselflugmotor hervorbrachte.

Diese Forschungsanstalt wurde finanziert von den zu einem Konzern zusammengefaßten verschiedenen Produktionsstätten, in denen die Produkte auf ihre Serien- und Praxistauglichkeit getestet und weiterentwickelt wurden. Forschung und Produktion bildeten nach Auffassung des Gründers eine Einheit. Um Qualitätserzeugnisse hervorzubringen, die auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig seien, dürfe kein Teil von dem anderen getrennt werden. Von dieser Überzeugung brachten ihn weder wirtschaftliche Tiefschläge noch der Druck staatlicher Behörden ab.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und Außerkraftsetzen demokratischer Bürgerrechte in den ersten beiden Monaten des Jahres 1933 hatten die Regierungsbehörden genügend Mittel, um den Druck auf den widerspenstigen Professor massiv zu erhöhen. Bereits am 3. Februar 1933 hatte Hitler in einer Rede vor Repräsentanten der Reichswehr den Aufbau einer Wehrmacht und deren Aufrüstung zur obersten Priorität erklärt. Zur gleichen Zeit forderte das neugegründete „Reichskommissariat für Luftfahrt“ in einem von Erhard Milch unterzeichneten Schreiben Prof. Junkers auf, alle luftfahrtbezogenen Patente auf die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke zu übertragen. Als sich Prof. Junkers dem Ansinnen verweigerte, wurde der Dessauer Oberstaatsanwalt Lämmler beauftragt, eine Anklage zu konstruieren, um den Widerspenstigen zu Fall zu bringen.

Unter dem Vorwurf des „Landesverrates“ wurde Professor Junkers im Oktober 1933 in seinem Landhaus in Bayrischzell verhaftet und in einer Nachtsitzung in Dessau gezwungen, die Mehrheit seiner Aktien und Beteiligungen an den Junkers Flugzeug- und Motorenwerken an einen Treuhänder zu übertragen. Fassungslos über diese Vorgehensweise schreibt er in sein Notizbuch:
„Was habe ich getan, was zu dem Vorgehen gegen mich Veranlassung geben könnte, da ich mir keiner Schuld bewußt bin; ich versuche vergeblich, dieses Vorgehen mit den Grundsätzen des neuen Staates in Einklang zu bringen. … Ich zerbreche mir den Kopf, welches wohl die wahren Gründe (Ursachen), weshalb man so gegen Js. vorgeht. Dass L.V. [Landesverrat] nur Mittel zum Zweck ist, das ist klar, das haben die beteiligten Herren ja selbst mit erstaunlicher Offenheit gesagt. … Warum hat man mir die Jfa und JUMO genommen, warum verfolgt man mich bis aufs Blut wie einen Verbrecher. Warum gibt man mir keine Möglichkeit, mich zu verteidigen? Man nimmt mir die Mitarbeiter, den Anwalt, die Akten, untergräbt meinen guten Ruf …“

Von einem Gerichtsprozess versprach er sich ohnehin nichts mehr:
„Was kann bei einem Reichsgerichtsprozess anders herauskommen als eine Verurteilung? Das Urteil ist bereits gefallen. Darüber kann kein Zweifel sein angesichts des ganzen Vorgehens gegen Js., u. a. die Exklusion aus der Akademie, die ohne jeden Vorbehalt cum infamia erfolgte. Eine Freisprechung von Js. würde alle diese Staatsstellen ins Unrecht setzen; das würde dem Grundsatz widersprechen, dass alles, auch das Recht, letzten Endes den Staatszwecken sich unterzuordnen hat. Formale Begründung für eine Verurteilung zu finden, würde keine Schwierigkeit bereiten. Jedenfalls kann ich nicht damit rechnen, dass es bei meiner völligen Unfähigkeit und Unerfahrenheit auf diesem Gebiet mir gelingen würde, mich gegen die erhobenen Vorwürfe zu wehren angesichts der Tatsache, dass mir alle die berufenen Mitarbeiter entzogen worden (Deth [Dethmann], Komei [Kottmeier], Lütje …) und jeder Versuch meinerseits, einen Ersatz zu finden, als neuer Beweis von Intrigen gegen den Staat aufgefasst [wird]. …

Ich werde wie ein aus der menschlichen Gesellschaft Ausgestoßener behandelt. Wenn man etwas von mir will, so lädt man mich mit der Polizei und verhandelt nicht, sondern diktiert unter Androhung des Konzentrationslagers oder dergleichen. Einen neuen Anwalt (Berater) an Stelle von Lütje zu finden, hat auch schon deshalb wenig Aussicht auf Erfolg, weil jeder, der mit Js. in Berührung kommt, von vornherein gebrandmarkt ist als Staatsfeind.“

Auch wenn diese Zeilen resigniert klingen, gab sich Junkers dennoch nicht so schnell geschlagen. Überzeugt davon, dass ihm Unrecht geschah, wollte er die Öffentlichkeit auf seine Seite bringen und beauftragte Anfang 1934 seinen Biographen, den Schriftsteller Richard Blunck, mit einer Aufklärungskampagne. Als Mittel der Aufklärung sah Junkers die Schaffung eines Kreises von Freunden der Junkers-Forschung, Vorträge bei jeder sich bietenden Gelegenheit, Rundfunkvorträge und Tonfilm-Wochenschauen u. a. Außerdem sollte Blunck eine Schrift erarbeiten, in der die Grundsätze Junkers’scher Forschungsarbeit und -ziele ausführlich erläutert werden.

Diese Aktivitäten blieben bei den Reichsbehörden nicht unbemerkt. Dort hatte man den Kampfesmut des alten Professors, wenn es um seine Werke ging, schon öfters zu spüren bekommen. Dieses Mal musste auf jeden Fall verhindert werden, dass Junkers sich mit Hilfe der Öffentlichkeit durchsetzte.

Anfang Februar 1934 gab Milch der deutschen Presse die Anweisung, dass vom 75. Geburtstag Prof. Junkers keine Notiz genommen werden dürfe. Junkers selbst wurde an perfiderweise seinem Ehrentage am 3. Februar in das Landeskriminalamt München einbestellt. Dort wurde ihm eröffnet, dass er nur mit den im Hause Bayrischzell ansässigen Familienangehörigen und dem Hilfspersonal verkehren dürfe. Der Verkehr mit allen anderen Personen, insbesondere seinem Sohne Klaus und seiner Tochter Herta, sowie Angehörigen des Konzerns stände ihm nur unter der Bedingung offen, dass ein Überwachungsbeamter zugegen sei.

Trotz aller Schikanen setzte Junkers seine Forschungsarbeiten unbeirrt fort. Derjenige sei „ein schlechter Forscher, der sich nicht mit Dingen, die nun einmal unabänderlich sind, abfinden kann, der nicht unbeeinflusst von Gefühlsmomenten mit den gegebenen Momenten das Mögliche erreichen sucht und gleich die Flinte ins Korn wirft, wenn das Schicksal ihm das vorenthält, was er zur Durchführung seiner Aufgabe normalerweise braucht,“ schrieb er in sein Notizbuch.

Da sein Aufenthalt auf Bayrischzell und Umgebung beschränkt worden war, mietete Junkers nun in München mehrere Räume und richtete provisorisch Büros und eine Werkstatt ein. Er wollte sich nun, da ihm die Luftfahrt entrissen worden war, auf Probleme der Architektur und den Metallhausbau konzentrieren, ein Forschungsvorhaben, dass er unter dem Einfluss des Bauhauses bereits in Dessau begonnen hatte. Doch auch dieses Vorhaben sabotierten die Behörden, wo sie konnten. Resigniert schrieb Junkers am 30. Juni 1934 in sein Notizbuch: „Meine Mitarbeiter, die ich mir in 40 Jahren Arbeit herangezogen habe, sind mir alle genommen worden bis auf einen einzigen, nämlich Griebsch. Mit diesem allein kann ich die Riesenaufgaben nicht durchführen … Außer den Menschen fehlt die Organisation, die Einrichtungen etc., alles muss aus kleinem Keim neu aufgebaut werden. Ich bin schon gewohnt, mit sehr wenig Aufwand an Zeit, Mitarbeiter, Geld auszukommen, aber ganz ohne Zeit, Mitarbeiter, Geld geht es nicht. Aber wenn man mir nun noch Vorschriften über die Wahl meiner Mitarbeiter [macht], welche sich als besonders brauchbar erwiesen haben, … so bin ich nicht in der [Lage] weiter zu schaffen und muss mir überlegen, was nun zu tun ist.“
Kurz darauf erkrankte er schwer und musste sich in einer Münchner Klinik einer Gallenoperation unterziehen.

Aber auch das war für die Nationalsozialisten kein Grund, den Druck auf Junkers zu vermindern. Noch vor seiner Operation hatte sich Junkers geweigert, den angeforderten Verkaufswert seines Unternehmens anzugeben, solange er als Landesverräter behandelt werde. Göring drohte ihm daraufhin noch während der Genesung, dass er die noch notwendigen Verhandlungen ohne Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand unmittelbar mit Junkers selbst führen lassen werde. Das Verfahren gegen Prof. Junkers werde erst dann eingestellt, wenn der Vertrag wegen Abgabe der Dessauer Werke an das Reich endgültig und unwiderruflich von Prof. Junkers unterschrieben sein würde.

Unter diesem psychischen Druck erkrankte Professor Junkers, der die Operation gut überstanden und mit neuen Forschungsplänen im Kopf auf dem besten Wege der Genesung war, zu Beginn des Jahres 1935 nach weiteren ergebnislosen Verhandlungen erneut und am 3. Februar verweigerte das Herz in dem geschwächten Körper nach genau 76 Jahren endgültig den Dienst. Seine Kämpfernatur war bis zuletzt ungebrochen geblieben. Noch zum Weihnachtsfeste 1934 im neuerworbenen Heim in Gauting hatte Hugo Junkers versucht, seinen Kindern zu erklären, warum er so wenig Zeit seine große Familie gehabt hatte und was das Ziel seines Lebens sei:

„Das, was mir ausschließlich als Aufgabe vorgeschwebt hat, ist die Förderung des allgemeinen Wohls. Ich habe mich innerlich durch eine höhere Stimme berufen gefühlt, meine Kräfte in höherem Maß in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen, als das wohl bei den meisten Menschen der Fall ist, in höherem Maß deshalb, weil ich die Kraft in mir spürte, solche Aufgaben, wie sie mir vorschwebten, zu bewältigen und mich ihnen so lange zu widmen als ich sehe, dass sie ohne meine Mitwirkung entweder ganz unter den Tisch fallen oder doch argen Schaden erleiden würden.“

Angelika Hofmann

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Weiterführende Informationen zum Leben und und Werk von Prof. Junkers.

Quellen:

  1. Notizbücher von Hugo Junkers aus dem Jahre 1933/34.
  2. Schmitt, Günter: Hugo Junkers. Ein Leben für die Technik. Planegg, 1991.
  3. Wagner, Wolfgang: Hugo Junkers – Pionier der Luftfahrt – seine Flugzeuge. Bonn 1996.

Fotos: Archiv Bernd Junkers

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