Im Rahmen dieser selbstgewählten militärischen Karriere blieb dem lebenslustigen Köhl neben dem aufregenden Frontdienst der Hörsaaldienst nicht erspart. Vom Belehrten zum Lehrenden führte ihn sein Weg zur damals größten Stadt Deutschlands – nach Berlin. Der zu diesem Zeitpunkt Endzwanziger entdeckt dabei nicht nur die Freude an der Wissensvermittlung. Erste Informationen über die Fliegerei drangen bis zu ihm vor – und entzündeten ein wahres Begeisterungsfeuerwerk. Leider sah die Armee keine Versetzungen von Pionieroffizieren in den Fliegerdienst vor – zumindest nicht ohne ausreichend Dienstzeit nachweisen zu können. So konzentrierte sich Köhl vorerst eher auf inbrünstiges Kämpfen und reichlich Sturmangriffe an der Front, fernab seiner eigentlichen militärischen Profession.
Eine Verwundung bedeutete bald sein Glück im Unglück. Untauglich sich wieder den Aufgaben der kämpfenden, einreißenden und wiederaufbauenden Fußtruppe widmen zu dürfen, widmete sich Köhl fortan der Erfüllung seiner heißesten Mission: der Versetzung in die im Aufbau befindliche Luftwaffe. Da sein Vorgesetzter dies nicht mit gleicher Vehemenz unterstützen wollte, übernahm Köhl den notwendigen Schriftwechsel kurzerhand selbst – natürlich ohne seinen Kommandeur einzuweihen. Den Ärger nahm er für das gesteckte Ziel gern in Kauf, und erreichte es auch prompt. In vielen Flügen als Begleiter und Beobachter entwickelte er in den kommenden Jahren einen scharfen Blick für seine Umwelt, sowohl bei Tag, insbesondere aber auch bei Nacht. Dabei war es aber keineswegs so, dass ihm die Erfahrung zugeflogen wäre; er arbeitet dafür hart an sich selbst, um nach Möglichkeit keinen Fehler zweimal zu machen.
Lange Zeit glaubte Köhl nicht mehr an die Möglichkeit, selbst einen offiziellen Pilotenschein erhalten zu können. Ein Freund konnte ihm hier aber etwas unter die Arme greifen und ließ ihn im Urlaub nach einigen Flugstunden seine Prüfung ablegen. Als Staffelkommandeur versuchte er anschließend seinem eigentlichen Ziel – Jagdpilot zu werden – näher zu kommen. Ein feindlicher Pilot hatte jedoch mehr Können – oder Glück – als Köhl und konnte ihn vom Himmel holen. Köhl überlebte zwar den Absturz und erholte sich schnell von seinen schweren Verletzungen, stieg sogar bei nächstbester Gelegenheit wieder hinter ein Steuerhorn, kam aber einige Monate später nach Artilleriebeschuss nicht um eine weitere Notlandung herum. Da diese ausgerechnet hinter den feindlichen Linien stattfand, blieb ihm der Versuch des praktischen Räuber- und Gendarm-Spiels nicht erspart. In diesem Fall war die Gendarmerie schneller und setzte Köhl fest.
Mehrere Ausbruchsversuche zeugen von seiner nachhaltigen Entwicklung in jungen Jahren. ‚Niemals aufgeben!‘ schien wohl schon die Devise bei den ersten Raufereien gewesen zu sein. Mit viel Wagemut und einem Hauch Unverfrorenheit gelang ihm nämlich im September 1919 das scheinbar Unmögliche. Dass er dabei dem letzten feindlichen Posten eine Zeitungsannonce als Pass verkaufen konnte, hatte so kurz vor dem Ziel sicher auch etwas mit dem oft beschworenen Mut der Verzweiflung zu tun. Genau solche Erfahrungen machten aus einem Mann ein Vorbild für andere, einen Helden. Doch bis zu diesem Ansehen musste Köhl noch ein Stück seines Lebensweges absolvieren. Für seine Taten hinter der Front erhielt er aber zumindest den Pour-le-Mérite-Orden.
Da der Kriegsdienst nicht länger einträglich und erfüllend war, suchte Köhl nun also den Kontakt in die zivile Luftfahrt – und traf hierbei auf einen seiner späteren Förderer, Gotthard Sachsenberg, Direktor der Junkers-Luftverkehrs A.G. Dieser ebnete ihm den Weg zu einer Anstellung bei Junkers. Köhl begann intensiv am Aufbau der geplanten Nachtflugstrecken mitzuwirken. Schließlich hatte er sich bezüglich der Orientierung im Dunkeln bereits einen formidablen Ruf erworben. Er flog insbesondere die Strecke Berlin-Warnemünde-Stockholm, wobei er auch Erfahrungen mit Wasserflugzeugen sammeln konnte. Durch die unglückliche Situation der Junkers-Luftverkehrs A.G. um 1925 und die daraus resultierende Zusammenlegung der beiden größten Luftverkehrsgesellschaften der damaligen Zeit zur Deutschen Luft Hansa A.G. musste Köhl den Arbeitgeber wechseln und übernahm bei der DLH den Posten des Nachtflugleiters. Der an klare Linien gewöhnte Köhl konnte sich mit den firmenpolitischen Zwängen und Kompetenzrangeleien jedoch nicht so recht identifizieren und widmete sich neuen Herausforderungen. Auch in diesem Fall unterstützte ihn wieder Gotthard Sachsenberg; er bot ihm die Zusammenarbeit mit den Junkerswerken an. Aus den anfänglichen Ideen wurde eines der größten Abenteuer der damaligen Fliegerei – die Ost-West-Überquerung des Atlantiks mit der Junkers W33„Bremen“ im April 1928. In den Hauptrollen: Dr. Hermann Köhl, Oberst James C. Fitzmaurice und E.G. Freiherr von Hünefeld. Es wurde Köhls größter Triumph und ließ ihn und seine Freunde in die Annalen der Geschichte eingehen. Er erhielt Auszeichnungen und mehrere Ehrenbürgerschaften in den USA wie auch in Deutschland.
In den kommenden Jahren wurde es jedoch ruhig um Hermann Köhl. Da er sich mit dem nationalsozialistischen Gedankengut seiner ehemaligen Kriegskameraden nicht identifizieren konnte, geriet er ins Abseits. Seine Leidenschaft lebte er jedoch weiter und arbeitete fortwährend an Verbesserungen der aktuellen Technik. Leider war ihm nicht das Glück eines langen Lebens beschieden. Gerade 50-jährig verstarb Dr. Hermann Köhl im Oktober 1938 an einem Nierenleiden. Mit ihm ging nicht nur ein Pionier der Luftfahrt, ein Fliegerheld oder tapferer Soldat. Mit Köhl verlor die Welt einen der wenigen Piloten, welche aus Leidenschaft, gelebtem Engagement und persönlicher Berufung einen großen Grundstein für die Entwicklung der Luftfahrt legen konnten.