30. Dezember 2007 Junkers

Einen aussichtsreichen Absatzmarkt für ihr Verkehrsflugzeuge sahen die Junkerswerke besonders in den verkehrsmäßig nur mangelhaft erschlossenen Gebieten im Osten Europas und in Asien. Um dort den Bedarf zu wecken, richtete die Abteilung Luftverkehr der Junkerswerke anfangs selbst Luftverkehrsstrecken ein.

Anfang 1923 erhielt Junkers von der sowjetischen Regierung die Konzession für die Einrichtung einer Luftverkehrsstrecke von Moskau nach Teheran, auf der sie neben der Beförderung von Personen und Gütern auch sowjetische Piloten auf ihrem Verkehrsflugzeug F 13 ausbildete.

Werbung des „Junkers Luftverkehr Russland“ für die Strecke Moskau – Charkow – Rostow – Mineralnije Wody – Grosnij – Baku – Tiflis: Eine Reise, für die auf dem Landweg 100 Stunden benötigt würden, könnte im Flugzeug in 36 Stunden zurückgelegt werden.
Eine F 13 in Tiflis

Wegen mangelnder Nachfrage musste diese Teststrecke jedoch am Ende der Flugsaison wieder eingestellt werden, nur das Teilstück Baku – Teheran wurde im Rahmen des Junkers-Luftverkehrs Persien noch jahrelang aufrechterhalten. Vom Betrieb dieser Teilstrecke ist folgender kleiner Bericht erhalten:

Der Flugzeugführer Jakob Nikolajewitsch Moissejeff hat schon vielfach bei ungeheuren Stürmen das Kaspische Meer überflogen. So war es am 19. November 1924 zwischen Astrachan und Petrowsk, als er nach zurückgelegtem Fluge in letzterem Orte glatt wasserte, während die Dampfer nicht aus dem Hafen fahren konnten und in diesen Tagen nach einer Moskauer Zeitung eine Anzahl von Barken und vier große Dampfer untergegangen waren.

Einen ähnlichen aber noch größeren Sturm erlebten der Flugzeugführer Moissejeff und der Monteur Abramoff, als sie in ihrem Junkersflugzeug am 30. Dezember von Enseli nach Baku fliegen sollten. Trotzdem hatten sie die größte Strecke des Weges zurückgelegt, als sie dennoch zu einer Notlandung gezwungen wurden. Wegen des starken Windes von Osten her landeten sie mit dem Wasserflugzeug auf einer glatten, mit Schnee bedeckten Stelle der Küste. Der „Albatros“¹ rollt 50 Schritte und bleibt dann stehen. Es war eine Stelle gegenüber der Insel Swinoje, ungefähr noch 70 km von Baku entfernt. Moissejeff berichtet über das Weitere in anschaulicher Weise:

¹ Der „Albatros“ war eine Junkers F 13 mit der Werknummer 569 und der Kennung R-RECK (1924)

„Die Maschine befestigten wir, deckten sie zu, und unser erster Gedanke war, nach Baku Nachricht über die Notlandung zu geben, aber wie und von wo aus? Wir gaben einige Leuchtsignale ab, da wir dachten, daß man uns von der Insel „Swinoje“ aus bemerken würde; zu unserem Unglück bemerkte man uns da nicht. Wir sehen nach der Karte, ob nicht irgendwo in der Nähe eine Siedlung ist. Aber ach, wir haben kein Glück; die nächste ist 25 Kilometer entfernt, die Station Aljaty. Aber wie sollen wir dorthin gelangen? Der Schnee bis an die Knie, starker Wind, Kälte. Die Füße sind erfroren, und es wird Nacht! Wir ließen „Albatros“ zurück und gingen eine Unterkunft für die Nacht suchen. Als wir uns von dem Flugzeug ungefähr einen Kilometer entfernt hatten, war das Erste, was wir zu unserem Erstaunen sahen, ein Wolf, der auf die ruhigste Art etwas nagte. Wir erschrecken ihn durch eine Rakete. Wir liefen 2 Stunden und 30 Minuten; „Albatros“ blieb, abgesehen von einer Kleinigkeit, die die Überführung der Maschine auf dem Luftwege nach Baku nicht hinderte, in vollster Ordnung zurück.

Nach dem unangenehmen Zusammentreffen mit dem Wolf setzten wir doch unseren Weg auf der Suche nach einem Unterkommen fort, da wir es vom Hörensagen wußten, daß es an diesen Orten Nomaden gibt. Drei Kilometer vom „Albatros“ entfernt, stießen wir auf Kamele, voraus wir schlossen, daß es hier Leute gibt. 15 Minuten nach dem Zusammentreffen mit dem Wolf und den Kamelen fanden wir Nomaden, die uns unterbrachten. Wir fragten sie, ob sie etwas in der Art eines Kessels, Eimers oder Kübels und Holz hätten, um für den nächsten Tag heißes Wasser neben dem Flugzeug herrichten zu können. Zu der Zeit bereitete man uns Abendbrot aus einigen schmutzigen Pastillen und übelriechendem „Tendyr“; indem wir vor Ekel fast erstickten, aßen wir doch irgendwie das Abendbrot auf, wobei wir jedoch vor einer Beraubung nicht sicher waren. Kleine Kessel für vier Eimer Wasser fanden sie auch, und statt Holz sammelten wir Stacheln. Alles dieses wurde am Abend vorbereitet; als wir sie aufforderten, ein Telegramm nach der Station Aljaty zu befördern, lehnten sie es aber kategorisch ab (es waren ungefähr 10 Nomadenzelte) wegen der Nacht und des schlechten Wetters, sowie der Wölfe.

Die Nacht zum 31. Dezember verging in Unruhe und Unsicherheit um unser Leben sowie unter Leiden wegen der großen Kälte; frühmorgens begannen wir, die Maschine startbereit zu machen: von 9 Uhr morgens ab bis zum späten Abend gelang es uns aber nicht, den Motor anzustellen, aber wenn der Motor auch zu arbeiten begonnen hätte, so wäre ein Fliegen infolge des eingetretenen starken Schneegestöbers und Nebels unmöglich gewesen, jedoch hatten wir uns an dem Tage überzeugt, daß wir den Motor nicht anlassen können: Äther hatten wir nicht, und im Motor machte sich starker Mangel an Kompression bemerkbar. Wir übernachteten noch eine Nacht ebenso wie vorher, und da wir uns beunruhigten, daß man sich aufmachen würde, um uns zu suchen, und die Tartaren – Nomaden – sich nicht einverstanden erklärten, das Telegramm bei einem solchen Wetter, wie es der 1. Januar war, d. h. großer Frost, Schneesturm und starker Nordwind, zu befördern, baten wir sie, uns Pferde zu geben. Unter verschiedenen Vorwänden lehnten sie es ab.

Sodann beschlossen wir, zu Fuß bis zur Station Aljaty zu gehen. Die Tartaren erklärten, daß sie uns bei einem derartigen Wetter als ihre Gäste nicht hinaus lassen würden und begannen, verschiedene Beweise zu erbringen, daß wir vor Wölfen und Kälte umkommen würden. Aber wir bestanden auf unserem Entschluß. Alsdann forderte der Herr des Zeltes, in dem wir übernachteten, Selima, alle seine Mitbewohner auf, sich von uns bescheinigen zu lassen, daß wir bei einem solchen Wetter freiwillig weggingen. Ihren Wunsch erfüllten wir. Wir baten sie um Pastillen mit auf den Weg; es hatte aber keiner fertige da, und wir hatten keine Zeit zu warten, bis sie welche buken.

Abramoff bewaffnete sich mit einer Leuchtpistole und Leuchtpatronen und ich mit einem großen Stock, wonach wir uns um 1 Uhr mittags am Ufer entlang auf den Weg begaben. Wir marschierten wacker und mutig, bis an die Knie im Schnee, bei starkem Gegenwind von 8-10 m/sek. Nach drei Stunden schwerer Strapaze waren wir auf dem halben Wege nach Aljaty. Abramoff war in schweren Lederstiefeln und ich in sehr leichten. Abramoff konnte daher schwer gehen, und wir mußten kleine Pausen machen. Wenn Abramoff sich ausruhte, fror ich. Am meisten froren meine Füße, der Hunger machte sich fühlbar. Als wir die Halbinsel durchquert hatten, trafen wir zwei Wölfe, denen wir mit einigen Raketen zu Neujahr gratulierten, wo nach sie sich entfernten. Solch ein Zusammentreffen wiederholte sich einige Male, und wir können uns nicht rühmen, daß wir uns danach wohlgefühlt hätten.

Wir näherten uns dem Meeresufer. Es begann zu dämmern, und in der Ferne, ca. 12 Kilometer entfernt, sahen wir die Feuer des Grenzpunktes. Ungefähr 8 bis 9 Uhr abends langten wir nach vierstündigen und schwierigen Strapazen mit etwas erfrorenen Füßen und selbst stark durchgefroren bei dem Chef der Grenzabteilung in der warmen Hütte an und wärmten uns mit Tee, aßen Brot mit Speck, wonach wir nachts mit den Pferden der Grenzabteilung nach der Station Aljaty fuhren.“

Quelle: Junkers-Luftverkehrs-Nachrichtenblatt 1925, Nr. 2, S. 4.

Eine F 13 des „Junkers Luftverkehr Persien“ mit sowjetischer Kennung auf dem Flugplatz Teheran.

Angelika Hofmann

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