2. Oktober 1931 Junkers

1931 war eines der weniger erfreulichen Jahre. In der Wirtschaft kriselte es allerorten so sehr, dass sogar die eine oder andere wichtige oder auch weniger bedeutende Bank zusammenbrach. Der Staat lieh sich Geld von National- und Großbanken der umliegenden Mächte, die Gläubiger Deutschlands verhandelten über eine kurzfristige Aussetzung der Reparations- und Kriegsschuldzahlungen, und der Arbeitsmarkt hinterließ mit der traurigen Rekordhöhe von fünf Millionen Arbeitslosen ebenfalls seine Spuren in den Geschichtsaufzeichnungen.

Die Junkers Ju 49

Dass diese Situation nicht zu einer wohlfährigen Entwicklung der verschiedenen Wirtschaftszweige beitragen würde, dürfte jedem Unternehmer deutlich klar gewesen sein. Ob Großindustrieller oder Kleinbetrieb – fast jeden traf die schwächelnde Konjunktur in irgendeiner Weise. In solchen Zeiten das ohnehin knappe Kapital statt in die Produktion in erheblichem Maße in die Forschung zu stecken, musste folglich jedem vernünftig Denkenden surreal und absurd vorkommen. Auch aus den Junkers-Werken bemerkten rüde Stimmen, dass die enormen Forschungsaufwendungen zum Zusammenbruch der Firma führen könnten. Doch warum sah Junkers dann die Notwendigkeit solcher Investitionen? Und warum nun sollte es ausgerechnet ein Höhenforschungsflugzeug sein?

Einen nicht unerheblichen Beitrag zu diesem Umstand dürfte Prof. Asmus Hansen geleistet haben, welcher zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender der „Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft“ (NDW) war. Er vertrat die Ansicht, dass ein Höhenflugzeug notwendig und wichtig für die Weiterentwicklung des Luftverkehrs war, forderte jedoch deutlich andere zu erreichende Höhen. Lagen die damaligen Rekorde im Höhenflug bei knapp 13 Kilometern, so wollte Hansen unter allen Umständen nun mindestens 20 Kilometer erreichen. Dabei kam es ihm sicherlich ganz recht, dass just zu diesem Zeitpunkt die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt ähnliche Interessen hegte.

Die Junkers Ju 49

Junkers selbst hatte vor, sich bei Ausschreibungen über ein Höhenflugzeug des Reichsverkehrsministeriums – einem der Vorläufer des Reichsluftfahrtministeriums – zu bewerben. Dass die staatlich direkt bzw. indirekt geförderten NDW und DVL nun Fördergelder für die Forschung zur Verfügung stellen würden, kam Junkers sicher gelegen, hätte er doch diese Investitionen aus eigenen Mitteln nicht stemmen können. Immerhin brachte ihm diese Zusammenarbeit 574.000,- Reichsmark an zusätzlichen Geldern ein. Junkers stand jedoch nicht für rein monetäres oder profitorientiertes Gedankengut. Jedes Handeln, jede Arbeit, jedes Werk diente ihm für nur ein Ziel: der Finanzierung seiner Forschung – und damit der Verwirklichung seiner Träume, der Realisierung seiner Visionen.

Das Dreigestirn aus forciertem Forschungsgeist, militärischen Ansprüchen und fördernder Gemeinschaft führte 1929 zur Beauftragung eines Höhenforschungsflugzeuges: der Ju 49. Da Junkers bereits mit Höhenflügen – seine Piloten waren unter anderem mit einer W 34 auf über 12.000 Meter gestiegen – aber auch durch seine zukunftsorientierten Flugzeugen, wie der G 38, Aufmerksamkeit erregt hatte, schien er der potenteste Auftragnehmer zu sein. Man versprach sich sehr viel von den systematischen Untersuchungen. Frühere Flüge mit Ballons und Flugzeugen hatten bewiesen, dass in großen Höhen lebensfeindliche Bedingungen vorherrschten. Mensch und Technik wurden bis dato klare Grenzen gesetzt. Wollte man diese aufheben, blieb nur der Weg über jahrelange Versuche.

Die Besatzung wurde durch eine luftdichte, doppelwandige Höhendruckkammer vor Unterdruck geschützt

Die bereits gestellte Frage nach der Notwendigkeit und damit auch der Berechtigung für diesen Aufwand beantwortete sich aber erst klar, wenn man die damals erwarteten Ergebnisse genauer betrachtet. So war beispielsweise bekannt, dass durch den geringeren Luftdruck höhere Geschwindigkeiten erzielt werden könnten – eine wichtige Voraussetzung für interkontinentale bzw. internationale Flüge und damit für einen weltumspannenden zivilen Luftverkehr. Eines der höchsten Ziele, welches sich Junkers selbst gesteckt hatte. Weiterhin erhoffte man sich durch die großen Höhen ein Sicherheitsplus, da sich die anzusteuernden Notlandemöglichkeiten durch die größere Reichweite erheblich vervielfachen würden. Darüber hinaus erwartete sich Junkers einen verstärkten Einsatz seiner Schwerölmotoren, da Benzinmotoren den Anforderungen nicht in gleichem Maße gewachsen waren. So sorgte er dann auch für eine sorgfältige und gründliche Forschung und Entwicklung des Stratosphärenfliegers. In einer Pressemitteilung des Junkers-Nachrichtendienstes beschrieb man die Verwirklichung des Auftrages der DVL und der NDW schlichtweg als „zähe Forschungsarbeit – keine Sensation“. Was nicht wirklich falsch, aber vielleicht auch nicht ganz richtig war. Denn ein bisschen Sensation steckte schon in der unkonventionellen Konstruktion.

Als Kälteschutz diente eine von außen angebrachte Isolationsschicht

Ein entsprechendes Flugzeug, was sich vor allem am Rand der Troposphäre bewegen sollte, müsste ja immerhin vielerlei Bedingungen erfüllen. Allein die zu erwartenden niedrigen Drücke und eisigen Temperaturen stellten das Konstruktionsteam bereits vor schwierige, wenn auch nicht unlösbare Aufgaben. Mit durchaus logischen, jedoch auch ungewöhnlichen Ideen wurde an der Ju 49 gearbeitet. So ließ sich zum Beispiel die Druckkabine in einem Stück aus dem Flugzeug lösen, damit Änderungen einfacher vorgenommen werden konnten. Die Kabine besaß – ähnlich einem U-Boot – Bullaugen für die Besatzung. Das sicherte zwar den Druck in der Kabine, ließ jedoch in der Übersichtlichkeit für den Piloten deutlich zu wünschen übrig. Im Gegenzug baute man ihm ein Periskop ein, welches natürlich konsequenter Weise die Orientierung nach unten – und nicht wie im schwimmenden Pendant nach oben – erleichterte. Dieses Instrument half zwar weniger bei Start und Landung, förderte aber erheblich die Orientierung in über 10 km Höhe.

Innenansicht der Druckkabine

Viele weitere kleiner und größere technische Innovationen und intensive Arbeit führten im Sommer 1931 zur Fertigstellung der Ju 49. Unter der Kennung D-2688 erhielt die Werknummer 3701 zwar erst im September 1933 ihre offizielle Zulassung, bestritt aber bereits am 2. Oktober 1931 unter der sicheren Führung von Ingenieur Hoppe ihren ersten Versuchsflug. Die Ju 49 erreichte in den Jahren 1933 bis 1935 Höhen zwischen 9.300 und 12.500 Metern. Weiteren Werksunterlagen zufolge lag die größte erreichte Höhe bei 13.000 Metern und konnte somit angeblich keine Rekorde brechen. Unbestätigten Berichten zufolge soll Asmus Hansen jedoch bereits 1932 mit eben jener Ju 49 Höhen von über 14 Kilometern erreicht haben. So lautete es zumindest in seinem Nachruf, veröffentlicht am 29. März 1968 im „Hamburger Abendblatt“.

Das Höhenforschungsflugzeug Ju 49 im Bau

Für die heutige Luftfahrt ist es in der Tat unerheblich, ob es nun 13 oder 14 km waren. Wesentlich bedeutender sind die Erkenntnisse, welche im Laufe der jahrelangen Bemühungen und Forschungen erzielt werden konnten. Sie bildeten nicht nur wichtige Grundlagen für den Flugzeugbau, sondern lieferte auch wichtige Daten für die Meteorologie und weitere Wissenschaften. Die vollständigen Auswirkungen der Pionierarbeit sehen wir heute an unserem globalisierten, modernen Weltluftverkehr, in welchem Fliegen ein durchaus preiswertes Produkt für jedermann geworden ist. 1931 las sich die Würdigung der Fortschritte noch wie folgt: „Mit diesem Flugzeug ist die deutsche Wissenschaft, trotz der angestrengten Bemühungen anderer Länder, doch wieder ein erhebliches Stück vorausgeeilt.“

Jan Christiansen

Oben

Weiterführende Informationen:

Technische Daten der Ju 49
Artikel auf chroniknet
1931 auf der Seite des Deutschen Historischen Museums
1929 auf der Seite des Deutschen Historischen Museums
Freunde des DLR

Quellen:

  1. Sturmvogel 1931, S. 144/145
  2. Junkers-Nachrichtendienst Nr. 18 / Nr. 81 vom 14.3. und 2.10.1931
  3. Anhalter Anzeiger, versch. Ausgaben
  4. Luftschau Nr. 6 / Nr. 19, 1931
  5. Luftfahrt voran! 1932, S. 194-196
  6. Wagner, Wolfgang: Hugo Junkers, Pionier der Luftfahrt – seine Flugzeuge, 1996
  7. www.wikipedia.de, versch. Inhalte
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