18. August 1924 Junkers

Am 18. August 1924 eröffnete die Junkers Luftverkehr AG mit einem Postflugzeug A 20 die Nachtluftpoststrecke Stockholm – Berlin. Die Strecke über die Ostsee ersparte anfangs eine kostspielige Bodenorganisation und diente der Vorbereitung eines durchgehenden Tag-Nacht-Passagierluftverkehrs.

Abb. Nachtpostflug Berlin-Stockholm mit A 20 D 440

Das Junkers-Luftverkehr Nachrichtenblatt berichtete am 26. September 1924 über erste Erfahrungen auf dieser Strecke:

Nachtflüge über die Ostsee
Günstige Ergebnisse der ersten Betriebswochen.
Der am 18. August im regelmäßigen Betrieb eröffnete Nachtflugdienst Berlin-Stockholm, die erste regelmäßige Nachtluftpoststrecke in Europa, ist trotz der außerordentlich ungünstigen Witterung mit so gutem Erfolg bisher durchs geführt worden, daß er die dauernde Aufmerksamkeit der gesamten in- und ausländischen Presse in hohem Maße auf sich zieht. Die bisher erreichten Erfolge (in der kurzen Betriebszeit im Monat August wurden 39 Nachtflüge ausgeführt, von denen nur zwei wegen auftretenden Frühnebels vorzeitig abgebrochen werden mußten und nur eine Notlandung aus dem gleichen Grunde erfolgte) sind in erster Linie Verdienste der Flugzeugführer und Beobachter, von denen der Nachtflugbetrieb ungewöhnliche Leistungen erfordert. Im Nachtluftverkehr sind eingesetzt die Flugzeugführer Bauerhin, Harder, Kaspar, Olson, Pütz, Schiffer.

Nachstehend eine Schilderung der Nachtflüge über die Ostsee von dem dort fliegenden Beobachter v. Bentheim:
„Seitdem die Nachtflugstrecke Berlin-Stockholm eröffnet ist, hat sich auf dem Flugplatz Warnemünde ein reger Betrieb entwickelt, der von außen allerdings wenig bemerkt werden kann, da er sich nachts zu Zeiten abspielt, in denen die andere Menschheit zu schlafen pflegt. Ist gegen 11 Uhr abends das Nachtflugzeug aus Berlin planmäßig eingetroffen, dann werden die Vorbereitungen zur Landung und zum Start der Schweden Maschinen getroffen, denn nach 1 Uhr soll das Flugzeug aus Stockholm eintreffen und um 2 Uhr die Maschine nach Stockholm starten.

Aus Karlskrona kommt die Meldung, daß das Flugzeug dort um 10,30 Uhr gestartet ist. Nach Windrichtung und -stärke in der Ostsee wird die voraussichtliche Ankunftszeit berechnet. Im Durchschnitt rechnet man mit 2½ Stunden Flugdauer. Kurz nach 12 Uhr kommt von der Signalstation Arkona die Meldung, daß ein Flugzeug in Richtung Warnemünde passiert ist. Ein weißes Sternsignal hat angezeigt „Alles in Ordnung“. Nun ist es Zeit, die Landungsboote auf dem Breitling auszulegen. Zwei Motorboote, die mit einer Leine verbunden sind, werden so verankert, daß im Luv und Lee genügend Platz ist. Sie sollen dem Flugzeug die Windrichtung angeben und ihm das Landen erleichtern. Dazu hat das hintere Boot eine grüne Lampe auf einem 6 Meter hohen Mast und das erste Boot eine weiße Lampe in 3 Meter Höhe. Diesen Booten gegenüber liegt ein Prahm mit einem starken Scheinwerfer, der die Wasserfläche beleuchtet. Zwischen diesen Booten soll das Flugzeug landen. Ein starker Scheinwerfer an Land leuchtet inzwischen in die Anflugrichtung des Flugzeuges. Die Erfahrung hat nämlich gelehrt, daß dieser Scheinwerfer viel weiter zu sehen ist als das Leuchtturmfeuer von Warnemünde, und so dem Flugzeugführer schon von weitem sein Ziel zeigt.

Gegen 1 Uhr leuchtet in nordöstlicher Richtung plötzlich ein weißes Licht auf. Das Flugzeug hat seinen Scheinwerfer angestellt! Ein grüner Stern vom Flugzeug geschossen bedeutet „Ich will landen!“ Der Landscheinwerfer wird jetzt in die Windrichtung geschwenkt, damit der Flugzeugführer zur Landung richtig anschweben kann. Ein grüner Stern von unten bedeutet jetzt: „Alles ist klar zur Landung!“ Jetzt tauchen auch die Positionslaternen des Flugzeuges auf. Gespensterhaft, kaum hörbar, mit unheimlicher Schnelligkeit schwebt die Maschine über den Platz, senkt sich und an dem dumpfen Anprall der Schwimmer auf der Wasserfläche erkennt man, daß die Maschine glücklich gelandet ist. Zoll- und Flugpolizei stehen am Ufer, um die anrollende Maschine in Empfang zu nehmen. Die Post wird von Bord gegeben. Die Flugzeugbesatzung der nächsten Schweden-Maschine erkundigt sich nach dem Wetter. Es ist gut, nur die Hanöbucht hat Regenwolken – wie fast immer.

Jetzt wird die nächste Maschine klargemacht. Die mit dem Nachtflugzeug aus Berlin angekommene Post wird an Bord gegeben. Die Wettermeldungen aus Arkona, Karlskrona und Sandhammaren lauten günstig, d. h. es besteht keine Nebelgefahr, denn Sturm und Regen bilden für den Flug kein Hindernis. Es ist 2 Uhr nachts. Die Maschine rollt an und dreht in den Wind. Vollgas! Ein paar Mal hüpft das Flugzeug noch auf der Wasseroberfläche, dann steigt es empor. Die Lichter von Warnemünde tauchen auf und entschwinden hinter uns. Das Blitzfeuer von Gjedser ist an Backbord sichtbar, wir aber nehmen Kurs auf Arkona. Erst geht es ein Stück die Küste entlang, die auch bei tiefster Dunkelheit gut zu erkennen ist. Die Leuchtfeuer von Darßer Ort und Dornbusch werden passiert. Die vier Blitze des Leuchtturms Arkona kommen vor uns in Sicht. Nach 45 Min. haben wir Arkona erreicht. Wir schießen einen weißen Stern, der von unten erwidert wird. Jetzt wissen wir, daß von unten nach Warnemünde gemeldet wird, daß wir gut bis hierher gekommen sind. Von Arkona aus wird nach dem Kompaß navigiert. So lange noch Land in Sicht war, wurde er noch einmal auf seine Deviation geprüft. Sind Sterne zu sehen, dann gibt auch der Nordstern einen guten Anhalt zur Kompaßkontrolle. So fliegen wir in die Dunkelheit hinaus. Wenn es bedeckt ist, sieht man weder Wasser noch Himmel, sondern nur ein gleichmäßiges Grau, in das man hineinfliegt. Höhenmesser und Tourenzähler sowie Kompaß müssen jetzt genau beobachtet werden. Auch diesmal haben wir wieder fein navigiert. Nach 20 Min. taucht das Blinkfeuer von Sandhammaren genau vor uns auf. Unter uns sind Dampferlichter zu sehen; wir sind über dem Schiffahrtsweg nach Schweden und Finnland. Langsam wird es heller. Von Sandhammaren bis Simrishamn fliegen wir die schwedische Küste entlang. Kurz vor 4 Uhr kommt das Leuchtfeuer von Hanö an Backbord in Sicht. Dann taucht auch vor uns die Küste auf. Nun heißt es aufpassen, damit wir an der richtigen Stelle nach Karlskrona hineinfinden. Da Karlskrona bekanntlich Festung ist, ist uns eine ganz bestimmte Flugrichtung vorgeschrieben. Um 4.15 Uhr landen wir glatt – wie immer – in unserer stillen Bucht. Auch hier ist der Zollbeamte schon auf der Brücke. „Har ni sprit ombord?“ – „Nej, tyvärr inte!“ Wir lachen und begrüßen uns; wir sind mittlerweile schon alte Bekannte. Während die Stationsmonteure die Maschine nachsehen und Brennstoff auffüllen, gehen wir in das Büro, wo Papiere nachgesehen und neue ausgestellt werden. Zertifikat, Zollpaß, Einflugerlaubnis, alles muß seine Ordnung haben.

Nach halbstündigem Aufenthalt geht es weiter. Auf vorgeschriebenem Wege wird Karlskrona verlassen. Dann geht es nach Norden. Nach 45 Minuten passieren wir Kalmar. Die Stadt mit dem alten Schloß bietet dem Auge bei der aufgehenden Sonne einen herrlichen Anblick. Rechts sehen wir die langgestreckte Insel Oeland. Um bei plötzlich aufkommendem Nebel immer freies Wasser unter uns zu haben, fliegen wir die äußersten Leuchtfeuer an. So passieren wir Storkläppen, Häradskär und Häfringe. Das Personal dort ist schon auf. Wenn wir in geringer Höhe vorbeibrausen, winkt man begeistert mit Hand- und anderen Tüchern. Bei Häfringe statten wir „unseren“ Seehunden eine Morgenvisite ab. 40-50 Stück sitzen auf einer kleinen Klippe. Es ist drollig anzusehen, wenn sie mühsam ins Wasser humpeln, nur ein paar alte Herren lassen sich nicht stören. Auch sie kennen uns schon.

Nun gehts in das Schärengebiet von Stockholm. Wir gehen auf Höhe und nehmen Kurs auf Schwedens Hauptstadt. Zwar geht es eine Strecke über Land, doch geben uns die vielen Binnenseen im Notfalle immer noch Landemöglichkeit. Einmal war das Wetter allerdings so schlecht, daß wir über Södertelje fliegen mußten. Es goß in Strömen und die Wolken waren keine 100 Meter hoch. Da es unser Prinzip ist, zu fliegen, solange überhaupt noch etwas zu sehen ist, erreichten wir, in 30-50 Meter Höhe die Fjords entlangbrausend, trotzdem glücklich Stockholm. Unvergeßlich ist der Anblick von Stockholm aus der Vogelschau; die vergoldete Kuppel des Rathauses ist schon von weitem zu sehen. Im Gleitflug geht es über das Schloß und den Djurgarden zur Flugstation. Um 8 Uhr sind wir glücklich gelandet und erledigen die vorgeschriebenen Formalitäten.

Ein gutes Frühstück und etwas Ruhe in der Stadt tun besonders dem Flugzeugführer wohl, denn am Abend sollen wir wieder zurückfliegen.
Um 6 Uhr abends sind wir wieder auf der Flugstation. In der Zwischenzeit ist die Maschine gründlich nachgesehen worden. Wettermeldungen von der ganzen schwedischen Küste liegen vor. Wir haben mit starkem Westwind zu rechnen. Um 6,45 Uhr bringt das Postauto die Post für Deutschland. Dann ist es Zeit zum Starten. Unter uns taucht wieder Stockholm auf, diesmal bereits im Lichterglanz, denn die Sonne ist schon untergegangen. Wir halten uns diesmal mehr an die Fjorde und halten auf das Feuer von Häfringe zu. Von dort geht es wieder über Häradskär, Storkläppen und Dämman nach Kalmar. Die Leuchtfeuer sind gut zu sehen, bei klarem Wetter sogar die von Gotland. Ueber Kalmar wird ein weißer Stern geschossen, um die Meldung von unserm Passieren nach Karlskrona gelangen zu lassen.

Bei Mondschein und gutem Wetter ist der Flug an der schwedischen Küste entlang unbeschreiblich schön. Manchmal kommt es allerdings auch anders. Bei Windstärke 10 -11 und strömendem Regen mußten wir auch durch; das war in dei Zeit, als die Fähre Saßnitz – Trälleborg wegen schlechten Wetters nicht fahren konnte! Die Redaktion der „Karlskroner Tidning“ rief damals alle 10 Min. an, ob das Flugzeug wirklich käme. Als wir nach 1½ stündiger Verspätung glatt landeten, waren die Schweden fassungslos. Trotz des strömenden Regens wartete um 12 Uhr nachts auf der Anlegebrücke eine große Menschenmenge auf unsere Ankunft. Der Flugzeugführer bezeichnete diesen Flug als den schwierigsten seines Lebens, sicherlich ein gutes Zeichen für die Güte der Junkers-Maschinen.

Während des Aufenthaltes in Karlskrona werden die Wettermeldungen von Simrishamn, Sandhammaren, Arkona und Warnemünde eingeholt. Ist das Wetter einigermaßen günstig, dann fliegen wir direkt über Arkona, sonst an der schwedisch-dänischen Küste entlang über Trälleborg – Gjedser. Nachts ist die Hanöbucht fast immer ungemütlich, Regen und Gewitter halten sich dort tagelang. Wenn Sandhammaren glücklich erreicht ist, machen wir uns durch weißes Leuchtsignal wieder bemerkbar, damit Karlskrona und Warnemünde von unserm Passieren benachrichtigt werden können. Dasselbe ist beim Passieren von Arkona der Fall. Die Scheinwerfer in Warnemünde zeigen uns schon von weitem unser Ziel, planmäßig kommen wir dort an und setzen glatt zwischen Scheinwerfer und Richtungsboot auf. Mit dem Anschlußflugzeug ist dann die abends in Stockholm aufgegebene Post bereits um 6 Uhr morgens in Berlin.“

Angelika Hofmann

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